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Weltweit stellen Infektionen der unteren Atemwege eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit von Kindern dar. So gehören Lungenentzündungen zu den häufigsten schweren kindlichen Infektionen und sind für rund 20% der Todesfälle in den ersten fünf Lebensjahren verantwortlich. ¹ ² Die Erkrankungen werden gerade bei Säuglingen und Kleinkindern in der Regel durch virale Pathogene, wie z.B. dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), hervorgerufen.

Welche Daten über die Verbreitung des RSV liegen vor?

Das RS-Virus ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität im Kindesalter assoziiert: Die Anzahl der weltweiten Atemwegsinfektionen bei Kindern unter 5 Jahren, die auf das RSV zurückzuführen waren, wurde für das Jahr 2015 auf 33,1 Millionen geschätzt ². In Deutschland können mehr als 80.000 RSV-bedingte Vorstellungen beim Kinderarzt und in den Notaufnahmen der Kinderkliniken gezählt werden. Rund 1-2% der Kinder jedes Jahrgangs muss stationär, ein nicht unerheblicher Teil auch intensivmedizinisch behandelt werden ³. Etwa die Hälfte der schwerwiegenden Krankheitsverläufe tritt bei Kindern bis 6 Monaten auf. Dabei spielen auch andere virale Krankheitserreger wie HMPV, Rhinoviren und Influenzaviren eine relevante Rolle ⁴.

Welches besondere Forschungsinteresse besteht im Zusammenhang mit Atemwegsinfektionen bei Säuglingen und Kleinkindern?

Aktuelle systematische Daten über Häufigkeit, Verlauf sowie Erregerspektrum zu Infektionen der unteren Atemwege in Deutschland liegen nicht vor. Die letzte systematische Analyse stammt aus den Jahren 1998-2000 (PRI.DE Studie), wobei zu diesem Zeitpunkt diverse Erreger noch nicht bekannt waren bzw. nicht existierten (z.B. HMPV, SARS-CoV2) ³ ⁴. Darüber hinaus liegen keine Schätzungen der sozioökonomischen Belastungen durch virale Erkrankungen von Säuglingen und Kleinkindern vor. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die wahre Krankheitsbelastung durch das RSV und co-zirkulierende virale Erreger sowohl in Deutschland als auch in der Welt noch unterschätzt wird. Eine spezifische Therapie der viralen Atemwegsinfektionen besteht bisher nicht. Die PAPI-Studie will die Erregerspektren und die Krankheitsverläufe bei Kindern mit
Infektionen der unteren Atemwege zwischen Oktober 2021 und April 2022 sowie zwischen September 2022 und April 2023 in Kinderkliniken und Kinderarztpraxen an vierzehn verschiedenen Standorten in Deutschland ermitteln. Auf dieser Website soll datengestützt über die Bedeutung von RSV und andere Viren als Ursache für Atemwegsinfekte bei Kindern aufgeklärt werden. Hier wird ein wöchentlich aktualisierter Überblick über die Gesamtsituation von erkrankten Kindern in Deutschland dargestellt.

Welche Besonderheiten hinsichtlich der RSV-Aktivität ergeben sich durch die Covid-19 Pandemie?

Die PAPI-Studie wurde bereits im Winterhalbjahr 2020/21 in den Kinderkliniken von Hannover, Oldenburg und Flensburg durchgeführt. Aufgrund der nichtpharmazeutischen Maßnahmen während der Covid-19-Pandemie traten in diesem Zeitraum jedoch keine RSV-Infektionen in der untersuchten Altersgruppe auf. In den vorangegangenen drei Jahren wurden in Hannover und Oldenburg noch zwischen 115 und 159 RSV-assoziierte Hospitalisierungen gezählt ⁵. Die Saisons 2021/22 und 2022/23 könnten aufgrund dieser epidemiologischen Ausnahmeerscheinung von besonderem Forschungsinteresse sein. Unter Normalbedingungen können 60-70% der Kinder bereits im ersten Lebensjahr eine Immunität gegenüber RSV-Infektionen entwickeln. Der Ausfall der RSV-Saison 2020/21 führte jedoch zu einem Anstieg der Anzahl RSV-naiver Kinder. Die Folgen könnten eine Erhöhung der RSV- Morbidität und vermehrte Hospitalisierungen sein. ⁶

Wie läuft die PAPI-Studie ab?

Die teilnehmenden Kliniken decken die kindermedizinische Versorgung einer Region ab, um eine vollständige Hospitalisierungs-Surveillance zu gewährleisten. Hinzu kommt die Mitwirkung von niedergelassenen Praxen, wodurch die Studie um Daten über die Verbreitung leichterer Krankheitsverläufe ergänzt wird. 

An allen Studienzentren werden die eintreffenden Patienten auf eine mögliche Eignung für die PAPI-Studie gescreent. In den Kinderkliniken sind hospitalisierungspflichtige Kinder im Alter von 0 – 24 Monaten für die Studie geeignet. Es muss bei Ihnen mindestens eines der Symptome Fieber, Husten, Zeichen einer Rhinitis oder Zeichen einer Pharyngitis nachgewiesen sein. Des weiteren muss mindestens eines der Symptome Giemen (Auskultation), Rasselgeräusche, verminderte Atemgeräusche, Tachypnoe/Dyspnoe oder Hypoxämie vorliegen. In den Kinderarztpraxen werden pro Tag 2 bis 4 zufällig bestimmte Kinder rekrutiert, die mindestens ein Symptom aufweisen, das auf eine Infektion der Atemwege schließen lässt.
Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen werden die Eltern ausführlich über PAPI aufgeklärt und für eine Teilnahme ihres Kindes angefragt. Bei Einwilligung erheben die Studienzentren an bis zu 4 verschiedenen Zeitpunkten nach Patienteneinschluss Daten über Anamnese, Verlauf und Therapie der Atemwegserkrankung. Außerdem erfasst die Studie auch Daten zur wirtschaftlichen Belastung der Erkrankungen für die einzelnen Familien. So wird zukünftig eine volkswirtschaftliche Einordnung von präventiven Maßnahmen wie zum Beispiel neuen Impfstrategien möglich sein.

Neben dem Hauptpathogen RSV sollen die Häufigkeit von neuen Erregern wie HMPV und vor allem SARS-CoV 2 und deren spezifische Krankheitslast dargestellt werden. Zu diesem Zweck wird jedem Patienten über einen Nasenrachenabstrich Biomaterial entnommen. Die Biomaterialien werden zukünftig als Referenzpopulation und Reservoir für die Beschreibung und Analyse von bisher nicht beschriebenen oder aber in Zukunft neu auftretenden Erregern („new emerging pathogens“) dienen.

Pediatric Airway Pathogen Incidence (PAPI) Study (severe LRTI/hospitalized patiens)

¹ O’Brien, K. L. et al. Causes of severe pneumonia requiring hospital admission in children without HIV infection from Africa and Asia: the PERCH multi-country case-control study. The Lancet 394, 757–779 (2019).

² Shi, T. et al. Global, regional, and national disease burden estimates of acute lower respiratory infections due to respiratory syncytial virus in young children in 2015: a systematic review and modelling study. Lancet Lond. Engl. 390, 946–958 (2017).

³  Forster, J. et al. Prospective population-based study of viral lower respiratory tract infections in children under 3 years of age (the PRI.DE study). Eur. J. Pediatr. 163, 709–716 (2004).

⁴ Lu X, Zhang L, Du H, Zhang J, et al. SARS-CoV-2 Infection in Children. N Engl J Med. 2020.

⁵ Lange M, Happle C, Hamel J, Dördelmann M, Bangert M, Kramer R, Eberhardt F, Panning M, Heep A, Hansen G, Wetzke M: Non-appearance of the RSV season 2020/21 during the COVID-19 pandemic—prospective, multicenter data on the incidence of respiratory syncytial virus (RSV) infection. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 561–2. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0300

⁶ Baker, R.E., et al., The impact of COVID-19 nonpharmaceutical interventions on the future dynamics of endemic infections. Proc Natl Acad Sci U S A, 2020. 117(48): p. 30547-30553.